Spurensuche Lindner! Moderner Schulalltag im alten Industriedenkmal und die Kraft der “schönen Dinge”!
Carl Jakob Jucker u. Wilhelm Wagenfeld: Bauhauslampe, 1924, hier ein Modell der Firma Tecnolumen), 2025 © Anna Albrecht
Es ist ein Tag wie jeder andere, draußen ist es kalt, grau und regnerisch, wie sooft in den letzten Wochen. Aber vor mir auf dem Tisch steht eine neue Lampe: Fuß, Schaft, Glaskuppel. Eigentlich eine ganz normale Lampe, oder?
Carl Jakob Jucker u. Wilhelm Wagenfeld: Bauhauslampe, 1924, hier ein Modell der Firma Tecnolumen), 2025 © Anna Albrecht
Ich beuge mich vorsichtig vor, um sie zu betrachten. Da entdecke ich plötzlich, wie sich auf ihrem Metallfuß meine Welt spiegelt, besser gesagt, das Bild meiner Welt und das steht gerade auf dem Kopf. Eine Lampe, die auf ihre Weise zum Perspektivwechsel anregt? Distanz schafft zu dem, was mich umgibt, mich belegt oder gar belastet? Nachdenklich gleitet mein Blick an ihrem glänzenden Metallschaft empor und dabei passiert etwas Seltsames: das eben noch klare Bild löst sich in dunkle Farben und bizarre Formen auf, verschwimmt vor meinen Augen. Ich halte diese Unschärfe nicht lange aus und greife nach der kleinen glänzenden Kugel, die am Ende jenes schmalen schwarzen Zugbandes baumelt, mit dem man gewöhnlich eine Lampe an- und ausknipst. Ich will daran ziehen, aber irgendetwas hält mich zurück. Stattdessen schließe ich meine Augen, wie angenehm kühl sich das Metall der kleinen Kugel in der Hand anfühlt, da meldet sich eine merkwürdige Unruhe: was passiert, wenn ich an dieser Kugel ziehe? Klick! Im selben Moment durchrieselt es mich hell und warm. Als ich die Augen öffne, sehe ich, wie das Licht aus der Glaskuppel in den Raum fließt, Möbel und Gegenstände streift, ihnen Leben einhaucht, wie das Licht der Sonne, wenn sie am Morgen über dem Horizont aufsteigt und mit ihren ersten Strahlen die Welt berührt. Und nun weiß ich, diese Lampe ist mehr als “nur” eine Lampe, sie ist das Versprechen eines jeden neuen Tages, dass alles gut wird.
Carl Jakob Jucker u. Wilhelm Wagenfeld: Bauhauslampe, 1924, hier ein Modell der Firma Tecnolumen), 2025 © Anna Albrecht
Diese Lampe, die so bescheiden daherkommt, ist ein kleines Juwel in meinem Alltag. Vor rund 100 Jahren ging ihr Prototyp aus der Metallwerkstatt des Bauhauses hervor. Inzwischen ist diese Tischlampe zur Bauhauslampe schlechthin geworden und ihre Erfinder, Carl Jakob Jucker und Wilhelm Wagenfeld, sind längst Legende. Damals zog die Wirkung der Lampe nur kleine Kreise, der Industrie entging die Genialität des Entwurfes. Aber Wilhelm Wagenfeld (1900-1990) verstand, dass für den wirtschaftlichen Erfolg eines Produkts nicht nur seine “gute Form” entscheidend ist, sondern auch das industrielle Potential, die Vermarktung. Im Laufe seines Lebens entwarf der Künstler aus Bremen, der ebenso Handwerker war wie Lehrer und Marketingstratege, zahllose praktische und schöne Dinge für Küche, Keller und Wohnräume, für den dicken wie für den schmalen Geldbeutel, aus Metall, Glas, Kunststoff, Porzellan. Sein Einfallsreichtum entfaltete sich auch an den kleinsten Dinge des täglichen Lebens: am Weckglas, am Blumenuntersetzer, am Salz- und Pfefferstreuer, am Nudelsieb. Und der Erfolg im In- und Ausland gab dem unermüdlichen Erfinder recht.
Wilhelm Wagenfeld: Salz- und Pfefferstreuer “Max und Moritz” und Butterdose, 2025 © Heike Preier
Wilhelm Wagenfeld, Blumenuntersetzer Wagenfeld-Stiftung, Bremen, 2025 © Anna Albrecht
Natürlich blieb er auch den Herstellern nicht verborgen: WMF, Rosenthal, Peill&Putzler engagierten den kreativen Kopf und so taten es auch die Geschwister Lindner, die eine Elektroporzellanfabrik in Eggolsheim bei Bamberg führten. Sicherungen und Glühlampen waren ihr Metier, zwischen 1955 - 1970 blühte ihr Geschäft! Über siebzig Entwürfe des gefragten Designers gingen in die Produktion ein: vom kleinen Eggolsheim in die Welt! Decken-, Wand-, Eck- und Spiegelleuchten, die in neuer organisch dynamischer Form und Farbigkeit, Licht in dunkle feuchte Räume der neuen Einfamilienhäuser zauberten.
Wilhelm Wagenfeld, Außenleuchte, mit dem Spitznamen “Erdbeerlampe”, 2023, © Hajo Lindner, https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/8/88/Wagenfeld-Lindner-Leuchte_Erdbeere.jpg
Eine besondere Zusammenarbeit zwischen Industrie, Kunst- und Handwerk, der wir an der FOS Eggolsheim im Schuljahr 2025/2026 nachgehen und das sogar direkt vor Ort! Denn die Räume der Schule befinden sich in dem ehemaligen Fabrikgebäude der Firma Lindner. Inhaltlich verfolgen wir bei diesem Projekt zwei Schwerpunkte: Zum einen suchen wir nach den Spuren, die in der Fabrik auch nach ihrer Umnutzung noch sichtbar sind, zum anderen versuchen wir mit Hilfe von Archivrecherchen, dokumentarischen Fotos und Zeitzeugen-Gesprächen dem Ort der Fabrik als Produktionsstätte auf die Spur zu kommen. Wer war Wilhelm Wagenfeld? Wie lief die Zusammenarbeit zwischen Designer und Lindner-Brüdern? Wie sah der Arbeitsalltag für die Arbeiter und Arbeiterinnen aus? Und welchen Einfluss übt das ehemalige Fabrikgebäude heute auf das Lernverhalten der Schülerinnen und Schüler im Fachbereich Gestaltung aus?
Bahnhof Eggolsheim mit Blick auf die Rückseite des ehemaligen Fabrikgebäudes Lindner, 2025, © Anna Albrecht
Ein Projekt mit Heike? Das ist das Versprechen auf viele Stunden gemeinsamer Planung und Diskussion, jede Menge Lakritz, Kaffee, Kuchen, Kreativität und vor allem Vergnügen… lasst Euch überraschen, was im Laufe des Schuljahres dabei herauskommt und wen ihr noch an Bord unseres Projektes findet.