Wie man einer verborgenen Welt ihre Geheimnisse entlockt: Laborbesuch in Bamberg!

Bamberg, Am Zwinger 6, KDWT © Anna Albrecht

Es ist nur eine kleine Gruppe von Schülerinnen und Schülern, die heute nicht nach Eggolsheim in den Unterricht, sondern nach Bamberg gefahren ist und sich vor dem modernen Gebäude der Universität Bamberg einfindet: „Kompetenzzentrum für Wissenschaft und Denkmaltechnologie“ steht am Eingang. Was für ein respekteinflößender Titel! Tatsächlich beherbergt das Gebäude ein deutschlandweit einzigartiges Institut. Ein Institut, das Wissenschaft, Labor und Lehre an einem Ort zusammenbringt. Es liegt mitten in Bamberg und dazu noch im Grünen, zwischen Altstadt und Hainpark – schöner gehts kaum!

Ich meine in den Augen der eintrudelnden Schülerinnen und Schülern eine gehörige Portion Scheu zu erkennen, schließlich erwartet sie heute ein waschechter Professor. Wird es schwierig sein, ihn zu verstehen? Wird er alt und streng sein, oder schlimmer noch: wird er einen todlangweiligen Vortrag halten? Eins ist zum Glück gesetzt: es geht auf jeden Fall ins Labor! das könnte Schwung in die Sache bringen. Ich selbst bin gespannt wie ein Flitzebogen auf dieses Labor der sogenannten Restaurierungswissenschaften, denn das kenne ich noch nicht. Kurz vor der verabredeten Zeit schwingt die große Glastür auf und Professor Dr. Paul Bellendorf tritt heraus. Er begrüßt uns mit einladender Handbewegung so herzlich und nahbar, dass er sofort alle Sympathien auf seiner Seite hat. Im Vorraum des Gebäudes gesellt sich seine Mitarbeiterin, Diplomgeologin Martina Pristl, dazu, beide haben sich den Vormittag frei genommen, um uns das Labor zu zeigen und ihre Arbeit zu erklären.

Bamberg, KDWT, Restaurierungswissenschaften, Martina Priest und Paul Bellendorf © Anna Albrecht

Wir verstauen Mäntel, Jacken und Taschen in den Schließfächern. Dann lauschen wir den kurzen Erklärungen der beiden zu den vielfältigen Aufgaben des Kompetenzentrums, die sich alle rund um das Thema „Kulturgutsicherung und Denkmalpflege“ drehen. Im speziellen Fachbereich der Restaurierungswissenschaften geht es im Wesentlichen um die Untersuchung von Materialien, um Prävention, Pflege und Konservierung von Denkmälern und das mit den modernsten Mitteln der Technologie: Mikroskope aller Art, Scanner, sogar Drohnen sind im Einsatz. Die Studierenden des Fachbereichs lernen den wissenschaftlichen und praktischen Umgang mit den unterschiedlichsten Materialien, dazu gehören Glas, Stein, Farbe, Stoff, Mörtel usw. Und wie funktioniert das? Einerseits durch die Betrachtung der Oberflächen mit bloßem Auge, andererseits durch die Betrachtung dessen, was unter der Oberfläche liegt. Das Lichtmikroskop zum Beispiel kann die übereinanderliegenden Farbschichten sichtbar machen, das Rasterelektronenmikroskop die Elemente. So kann man mit den verschiedensten Geräten den Materialien ihre Geheimnisse entlocken, enthält Aufschluss über Eigenschaften und Alterungsprozesse, über Herkunft und Art der Bearbeitung. Auf diese Weise fundamentiert und ergänzt die Restaurierungswissenschaft die großen Fragen der Denkmalpflege und Kunstgeschichte. Deshalb ist es auch kein Wunder, dass interdisziplinäre Zusammenarbeit am KDWT ganz groß geschrieben wird!

Bamberg, KDWT, Restaurierungswissenschaften, im Labor, © Anna Albrecht

Und wie das nun alles praktisch vor sich geht, das dürfen wir heute, im wahrsten Sinne des Wortes, erproben, direkt im Labor! Das entpuppt sich als großer und heller Raum mit vielen Tischen, auf denen allerhand Geräte stehen; erkennen tue ich auf den ersten Blick eigentlich nur das Mikroskop (sieht aus wie früher in der Schule). Halt! Bevor wir Hand anlegen dürfen, gibt es noch eine ausführliche Sicherheitsunterweisung. Oha, im Labor geht es wohl manchmal ganz schön gefährlich zu? Wir erfahren von Paul, warum man beim Schleifen einer Probe (das Gerät sieht aus wie ein Plattenspieler) auf seine Fingerkuppen und -nägel achten muss, wieso es eine Augendusche gibt (falls es mal daneben geht mit einer Chemikalie) und im schlimmsten aller Fälle gibt es sogar einen Notfallknopf, der alles lahm legt. Höhepunkt der Unterweisung ist der Einsatz der Ganzkörperdusche: es könnte ja sein, dass jemand in Flammen aufgeht, erklärt Paul, grinst Martina an und zieht an der Schnur...

Bamberg, KDWT, Restaurierungswissenschaften, Notfalldusche, Martina Priest und Paul Bellendorf © Anna Albrecht

Spätestens nach dieser Vorstellung ist allen klar, dass die beiden nicht nur ihre Wissenschaft lieben, sondern auch ihre Vermittlung und dass es dabei nicht immer bierernst zugeht. Publikumsreif ist diese Einlage auf jeden Fall, ein bisschen respekteinflößend auch. Gut so! Jetzt erklärt uns Martina mit viel Geduld und spürbarer Begeisterung für ihren Beruf die einzelnen Geräte, mit denen sie täglich umgeht. Bald schwirrt mir der Kopf vom Mikroskopieren, Sieben, Schleifen und Fraktionieren, da sagt sie plötzlich: „So und jetzt seid ihr an der Reihe!“ Nun arbeiten die Schülerinnen und Schüler paarweise an den verschiedenen Stationen, Heike und ich reihen uns artig ein und dürfen zuerst ans Lichtmikroskop.

Bamberg, KDWT, Restaurierungswissenschaften, Heike Preier am Lichtmikroskop © Anna Albrecht

Hier sehen wir in die Augen einer verendeten Hummel, erforschen das Gehäuse eines Gallapfels und kommen

Bamberg, KDWT, Restaurierungswissenschaften, Untersuchungsobjekte © Anna Albrecht©

einem mittelalterlichen Goldfaden auf die Spur: Wir erkennen unter dem Mikroskop, wie die “Seele”, der Kern des Fadens, mit hauchdünnem Gold umwickelt ist! Ganz schön aufregend sind diese Blicke ins Innerste der Welt!

Bamberg, KDWT, Restaurierungswissenschaften, Vergrößerung des Fadens, der mit Gold umwickelt ist © Anna Albrecht Anna Albrecht

Anschließend analysieren wir Ostseesand, da heißt es Sieben und Fraktionieren, Wiegen und Notieren.

Bamberg, KDWT, Restaurierungswissenschaften, an der Siebmaschine © Heike Preier

Später betten wir eine Mörtelprobe in Kunststoff ein und dazu braucht es viel Fingerspitzengefühl und jede Menge Geduld.

Bamberg, KDWT, Restaurierungswissenschaften, Einbetten einer Probe © Anna Albrecht

Anschließend (nachdem die Probe ausgehärtet ist) dürfen wir sie schleifen (und wir schaffen das, ohne unsere Fingernägel zu ruinieren). Zwischendrin können wir die geschliffene Probe immer wieder unter dem Mikroskop betrachten. An der letzten Station führt uns Paul vor Augen, warum Glas nicht gleich Glas ist, woher der Name Butzenscheibe kommt, und wieso man mit einem Bier in der Hand auch vorm „Schlenkerla“ in der Sandstraße wissenschaftliche Studien an den Fenstern der Häuser ringsum betreiben kann (funktioniert tatsächlich).

Bamberg, KDWT, Restaurierungswissenschaften, Paul Bellendorf und Heike Preier beim Betrachten einer Butzenscheibe © Anna Albrecht

Kurzum, der Vormittag im Labor vergeht wie im Fluge und ich glaube, ich bin nicht die einzige, die tiefbeeindruckt wieder nach Hause fuhr. Der Blick unter die Oberfläche ist wie ein Fenster in eine Welt, die sich zwar mit allen Tricks der Technologie öffnen lässt, aber am Ende braucht es auch die richtigen Fragen, das Wissen und jede Menge Erfahrung, um diese Welt zu verstehen. Danke, Paul und Martina, für diesen, im wahrsten Sinne des Wortes, wunderbaren Blick in Eure „verborgene Welt“.

Weiter
Weiter

WIE MAN AUF LEISEN SOHLEN EIN HAUS ZUM SPRECHEN BRINGT